… Ja, und wir fühlen uns hier fehl am Platz;-)
Nachdem wir heut ausgiebigst das kleine Städtchen durchbummelt
und dann eine kleine Verschnaufpause am Strand eingelegt hatten, wollten wir noch einen Spaziergang an der Küste entlang machen – Bewegung an der frischen Luft soll ja sehr gesund sein!
Aber anstatt uns besser zu fühlen, bekamen wir jetzt erst ein richtig schlechtes Gewissen: Hier geht man nicht spazieren, hier wird gejoggt! Und zwar frenetisch und fanatisch! Vom kleinen Sohnemann eines passionierten Sportlers über die beiden Arbeitskollegen aus dem Büro in der Stadt bis zu älteren doch nicht mehr ganz schlanken Damen – man bewegt sich in Glenelg ausschließlich hüpfend und in sauteuren Hightech-Sportklamotten vorwärts.
A propos sauteuer:
Hier wohnen nicht nur die sportlichsten, sondern wohl mit auch die reichsten Menschen Australiens ( und eigentlich dachten wir, diese hätten wir schon anderswo entdeckt). Man scheint hier dermaßen wohlhabend, dass man zwar eine „Nachbarschaftswache“ initiiert hat, diese aber lieber nicht selbst wahrnimmt, wenn man mit der Schicht dran ist, sondern lieber jemanden einstellt, der diese lästige Aufgabe übernimmt. Und genau so jemand erwischte uns heute abend leider an unserem gemütlichen Schlafplatz und verscheuchte uns, nicht ohne den mitfühlenden Kommentar: “ Sorry guys, but it´s my job!“ und tatsächlich einem guten Tipp, wo wir uns hinstellen könnten, ohne erwischt zu werden…
Ach ja, heute haben wir uns auch mit dem Bildungssystem in Glenelg ( wohl zumindest teilweise auch symptomatisch für Australien) auseinandergesetzt, indem wir eine Infoveranstaltung für das örtliche private College besuchten. Erstens stellten wir hierbei fest, dass uns beiden die Schule und die Kids ganz gehörig fehlen ( ein gutes Zeichen, oder?) und zweitens konnten wir ein paar sehr interessante Einblicke erhaschen. Zum Einen konnten wir feststellen, dass die Schule erstaunlich gut ausgestattet und auf neuestem technischen Stand war – allerdings gilt dies wohl auch für zahlreiche teilweise privat geführte Schulen in Deutschland. Zum Anderen lernten wir eine Form des „Team Teaching“ kennen, die eigentlich sehr leicht umzusetzen ist, und zwar ohne die Lehrerressourcen aufstocken zu müssen (für diese Erkenntnis müsste das Ministerium uns eigentlich bezahlen): Man verbindet zwei Klassen durch zwei Klassenzimmer, die direkt nebeneinander liegen und die komplett geöffnet werden können und ermöglicht so zum Einen den Unterricht mit allen Kindern einer Jahrgangsstufe auf einmal und zum anderen innere Differenzierung, indem der eine Lehrer zum Beispiel die schwachen Schüler in einem Klassenzimmer übernimmt, während der andere Lehrer sich der Starken im anderen Raum annimmt – eigentlich ziemlich praktikabel, ohne groß aufwendig zu sein, oder? Sollte ich eine „willige“ Parallelkollegin (Zitat Stephan: „So eine hätte ich auch gerne;-)!“) im nächsten Jahr bekommen und sollte dies räumlich und organisatorisch irgendwie machbar sein, möchte ich das unbedingt versuchen! Auch das Konzept der Mono-Edukation, das an diesem College umgesetzt wird – es handelt sich um eine reine Mädchenschule – fand ich sehr ansprechend und sinnvoll: Die Grundschuljahre ( hier von Klasse 1 bis 5) verbringen Jungen und Mädchen gemeinsam, in den kritischen Pubertätsjahren 6 mit 9 werden die Jugendlichen dann monoedukativ unterrichtet, und in der Oberstufe, wenn Selbstbewusstsein und Persönlichkeit sich gefestigt haben, werden die Geschlechter für die Oberstufe wieder kombiniert. Insbesondere die Studien, die jenen Mädchen einen viel höheren Erfolg in MINT-Fächern bescheinigen (sowohl im Leistungsbereich als auch in der Selbsteinschätzung), die nur mit Geschlechtsgenossinnen unterrichtet werden, dürften ein solches System begrüßen. Stephan ist aus verschiedenerlei Gründen dagegen – aber zum Thema Bildung gibt es ja immer zahlreiche verschiedene Blickwinkel.
Am Rande zu erwähnen ist vielleicht noch, dass die hier besuchte Schule ein eigenes IPad-Lernumfeld geschaffen hat und die Schülerinnen das eigene IPad ständig und überall nutzen – dies hat mitnichten mit dem australischen Schulsystem zu tun, sondern ist ein spezieller Einzelfall, mit dem dieses College sich ein Alleinstellungsmerkmal erarbeiten möchte – das umgesetzte Konzept regte mich und Stephan zu einer langen und hitzigen Diskussion an, die ich gewann (Ätsch!) (Zitat Stephan: „Wie? Das hab ich aber anders in Erinnerung!“) und die ich sehr gerne auch im pädagogischen Rahmen zu Hause weiterführen würde…
Freiwillige vor!