Nach unserem lauschigen (und darüber hinaus arschkalten) Nächtlein im Wald wollten wir ja eigentlich morgens Punkt 6 Uhr aufstehen, um direkt nach dem Tanken (das war wie gesagt jetzt wirklich unerlässlich geworden) zu unserer großen Tageswanderung aufbrechen und als Erste auf dem höchsten Gipfel des Tongariro Alpine Crossing sein zu können.

Hierbei handelt es sich übrigens um einen 19,4 km langen Track, der mitten durch den Tongariro Nationalpark führt und bei dem man mehrere (vulkanische) Gipfel erklimmen muss, bevor man wieder in die Normalität absteigen kann. Aber – es wären ja auch nicht wir – natürlich hatte um 6 Uhr morgens bei gefühlten 0 Grad und noch tiefster Dunkelheit keiner von uns Lust aufzustehen, und so schliefen wir noch ein Stündchen, bevor wir dann um 7 Uhr, jetzt aber wieder mal im Stress, zur Tanke aufbrachen, schnell noch einige Sandwich-Zutaten kauften die Stephan dann in Windeseile in Schinken-Käse-Toasts verwandelte, und unser Auto dann zum Parkplatz stellten, von dem aus wir den Aufstieg beginnen sollten. Der Morgen begrüßte uns mit schönstem Himmelblau und keinem einzigen Wölkchen, und so stieg die Motivationskurve immerhin von „Bäh, ich hab gaaaar keine Lust 19 km bergauf zu wandern“ zumindest auf „Gäääääääähn – Hm? Kann ja nicht so schlimm sein, wenn das so vele schaffen.“

Wieder mal war ich den Jungs in den Ohren gelegen, dass sie sich ganz viele Schichten Kleidung anziehen müssten, da es auf den Gipfeln hübsch kalt werden könne – natürlich hatten sie dies wieder mal nur sehr nachlässig und unter Protest getan. Als jetzt auf den ersten Kilometern im Tal die Sonne herauskam, genoss ich dementsprechend nicht nur die tolle Aussicht auf den ersten Vulkankegel, sondern auch spitze Sprüche und Gemotze á la „Oh nein, jetzt schwitzen wir so sehr, jetzt müssen wir diese vielen Pullsi da hoch tragen, so ein Geschleppe, und das ganz umsonst, nur, weil du wieder so ein Kontrollfreak bist………“, was bei Ben sogar darin gipfelte, einen Pullover zurückzulassen, weil es ihm einfach schier unerträglich heiß geworden war.

Nach der ersten Pause – auf der wir von den vorbeikommenden Wandersleuten nicht wenig belächelt wurden, weil wir hier schon schlapp machten, obwohl wir doch eigentlich nur unsere Frühstücksbortzeit zu uns nehmen wollten, um uns zu stärken (Zitat Stephan: „ Also ich war da schon ziemlich schlapp! „ Zitat Julia: „Ich hatte da schon keinen Bock mehr!“ Zitat Ben: „Nerdblabla!“) – begann dann auch bald der richtig schweißtreibende, um nicht zu sagen scheißanstrengende, Teil der Wanderung.

Nach 1,5 Stunden, in denen es ganz sanft bergauf gegangen war, startete nun das erste steile Teilstück, in dem 500 Höhenmeter in serpentinartigen Pfaden für die nächsten 60 Minuten bewältigt werden mussten.

Unsere Unterhaltung und auch die angefertigten Fotografien beschränkten sich nun nur noch auf ein Mindestmaß , nur Stephan war so hochmotiviert, dass er wie ein etwas zu groß geratenes, dickes Zicklein mehr oder weniger behende ein Stück vor uns hinaufsprang. Auf dem ersten Gipfelplateau angekommen, erwischte uns ein kurzes Zaudern, denn mitllerweile hatte es sich extrem zugezogen und wir steckten in einer dicken, eiskalten Wolken-Nebel-Schicht fest. Kurz überlegten wir, dass das doch eigentlich schon genug Kletterei für solche Laien für uns gewesen sei, und erwogen die Umkehr, doch als uns gefühlte 100 Zwölfjährige in Hotpants überholten(!!!Man glaubt es kaum!!!) packte uns jedoch der zugegebenermaßen eher gering usgefallene Tracking-Ehrgeiz, und wir entschieden, wenigstens zu versuchen, den nächsten und dann ja schon höchsten Gipfel zu erreichen.

Insbesondere Julia tat sich mit Motivationssprüchen wie „Es ist doch gar nicht mehr so weit!“und „Wir haben doch alle warme Klamotten dabei!“ und „Schließlich ist der Weg umsonst!“ hervor. Sprach´s, und machte nach dem nächsten steilen Abschnitt auch direkt schlapp. Da ich den Jungs aber den Spaß nicht verderben wollte, bot ich ihnen an, einfach hinter einem Felsen ( or dem extremen Wind geschützt) ihrer zu harren,

bis sie vom noch etwa 250 Höhenmeter entferten höchsten Peak wieder herabgestiegen kämen. Nach kurzem und sehr gentlemanhaftem (aber vorgetäuschtem) Zögern stimmten sie schließlich zu, und so stolperten sie wieder los, während ich es mir gerade „gemütlich“ machen wollte. Doch als ich die zwei weiter oben herumkraxeln sah, packte mich mein weiblicher Stolz („Warum sollte ich nicht schaffen, was die zwei testosterongeladenen Trottel können???!!!“) und so von einer Art kalter Wut vorangetrieben, holte ich sie bald ein und erreichte mit Hilfe von Stephan, der in Ritter-Löwenherz- Manier, zwar mit weniger Haar, aber genau so viel Elan, wieder herabgestigen kam („Ja, du schafffst das! Guck da ist es schon! Nur noch um die Ecke… Guck da oben, nur noch etwa 50 meter… und jetzt nur noch diees kurze Stück!“) mich tatsächlich ganz nach oben zu bringen. (Zitat Nietzsche: „ Gar wankelmütig ist das Weib…“)

Aber dort wurden wir – neben eiskalten Temperaturen („Oh Julia, du hattest ja so Recht, warum haben wir nicht auf dich gehört? Meine Ohren/Finger/… frieren ab!“) – mit einem herrlcihen Blick auf den „Roten Krater“,

den „Emerald Lake“ und den berühmten „Blue Lake“ belohnt.

Nach einer kurzen Foto-Verschnauf-Pause machten wir uns dann aber auch ganz schnell wieder an den Abstieg- diese Kälte konnten wir einfach – trotz all der vielen Schichten, Wintermütze und Kapuze – nicht lange ertragen. Doch mit jedem Meter Abstieg wurde die Luft wieder etwas milder, und bald hatten Stephan und Ben sich in einen solchen Freudenrausch ob des bezwungenen, immerhin 800 Höhenmeter-Track umfassenden, Gipfels hineingesteigert, dass sie den Hang hinabtanzten und uns entgegenkommende, leicht verzweifelt wirkende Wandersleut (Hatten wir eigentlich beim Aufstieg auch so abgehärmt und verzweifelt ausgesehen?) mit wilden Einlagen, Schlachtrufen wie „It´s not far! You´re almost there!“ und lauter Musik motivierten, weiterzugehen.
Irgendwo zwischen Vulkankegel und Talsohle ging ihnen dann allerdings die Lust und die Puste aus, und so schleppten wir uns die letzte halbe Stunde – jetzt wieder bei strahlendem Sonnenschein – in erschöpfter Stille zum Auto zurück.
Aber, trotz der kalten Ohren, brennenden Oberschenkel und schmerzenden Hinterteile – es hatte sich gelohnt: 19,6 Kilometer, 800 Höhenmeter, ein Vulkankegel, drei Vulkanseen und einen roten Krater! Wer kann schon von sich behaupten, so etwas geschafft zu haben?
Machtig stolz auf uns selbst gönnten wir uns an diesem Abend mal ein ordentliches Steak (Danke, Ben!) und schliefen erschöpft, aber selig ein und träumten vom Himalaya, den wir ja nun als geübte Wandersleut wohl auch bald besteigen würden können…

PS. Um den besorgten und unangemessenen Kommentaren vorzubeugen (Zitat Ben: „Warum bist du schon wieder so despektierlich? An meinem Pulli ist nix auszusetzen!“): Ja, Bens Pulli konnte gerettet werden…